Was mir 2020 alles geschenkt hat

Ich habe mich selbst zum Jahreswechsel zu einem Perspektivenwechsel eingeladen. Mit dem Fokus darauf, was dieses Jahr so richtig, richtig schön war. Und merke, wie mein dankbares Herz da viel mehr fand, als mein Verstand auf dem Radar hatte.

Vertrauen

Vertrauen in andere kann dann in Tiefe anfangen, wenn Selbst-Vertrauen da ist. Ein schwieriges Thema für mich. Selbstzweifel gehörten seit Kindsbeinen so sehr zu mir dazu, dass ich mir ein Dasein ohne sie fast nicht vorstellen kann. Und trotzdem durfte ich dieses Jahr unterschiedliche Momente erleben, wo ich spüren durfte, wie es sich anfühlt, wenn man die Zweifel loslässt und ins Vertrauen eintaucht. Ein solcher Moment waren beispielsweise die 6 Stunden, die ich alleine die Rigi hochlief anfangs September. Ich schrieb danach folgendes über diesen Tag:

Ich habe dieses Jahr auch immer wieder spüren dürfen, dass ich Vertrauen in MEINEN Weg haben darf. Auch oder besonders dann, wenn dieser mich manchmal Gefühls-Serpentinen hinauf- und Emotions-Lawinen hinabführt. Und dass es ein wunderbares Bonus-Geschenk ist, diese Wege mit Begleitern gehen zu können, die genau das verstehen. Die mich so annehmen, wie ich es manchmal selbst (noch) nicht kann. Die schon deutlich das in mir sehen, was für mich manchmal noch richtig dick im Nebel liegt. Das bringt mich zum nächsten Geschenk.

Verbundenheit

In einer Zeit, in der wir so auf uns zurückgeworfen wurden, empfinde ich das Gefühl von «verbunden sein» wichtiger denn je. Und so schwierig ich es fand, viele Leute, die ich sehr gern habe, nicht regelmässig zu sehen, so zeigte mir dieses Jahr doch auch die Qualität der Bindungen in meinem Leben auf. Und auch wenn ich einen Wald-Spaziergang oder einen Schwatz unter 4 Augen immer tausendmal mehr schätzen werde als ein virtuelles Kaffeetreffen, so brachte doch diese Verbundenheit auf Distanz eine gewisse Sicherheit in einem unsicheren Jahr. Und es gab viel zu….

Lachen

Manchmal braucht man es genau dann am meisten, wenn einem am wenigsten drum ist: Lachen ist so etwas enorm Befreiendes und wenn ich auf dieses Jahr zurückschaue, dann war Lachen oft da, wo genau so gut weinen hätte sein können. Dann, wenn ich virtuell mit Freundinnen sprach, die mir extrem fehlten. Dann, wenn ich vor lauter Sorgen, Einsamkeitsgefühlen und nicht mehr weiter wissen den Kopf in den Sand hätte stecken können. Und oft auch in Momenten, wo einfach alles sich grad so absurd anfühlte, das Lachen der letzte Ausweg war, um nicht den Kopf gegen die Wand zu schlagen. Ich habe mir auch für 2021 vorgenommen, mehr zu lachen – es ist definitiv kostenlose Medizin.

Musik

Eine meiner persönlichen Wieder-Entdeckungen im 2020: Musik hören. Ganz bewusst – nicht nur so nebenbei. Liedzeilen, die das Echo meiner Gedanken sind. Melodien, die mein Herz an Orte transportieren, wo es sein möchte. Stimmen, die Ecken meiner Seele erreichen, wo sonst nichts hinkommt. Der Moment, wo dich ein Song einholt und sich die feinen Häärchen im Nacken aufstellen: Unbezahlbar. Musik ist die Poesie der Erinnerung, das Lächeln eines Sommerabends und die Träne der Flüchtigkeit. Und jeder Moment dieser sich manchmal erzwungen fühlenden Einkehr, den ich mit Musik verbrachte, war ein wunderbares Geschenk.

Natur

Ich weiss nicht, wie ich dieses Jahr ohne Zeit in der Natur überstanden hätte. Es gab so viele Momente, wo mein Nachdenk-Karussell dermassen in voller Fahrt war, dass ein Aussteigen unmöglich schien. In solchen Momenten waren Natur-Auszeiten ein riesengrosses Geschenk. Insbesondere auch in den Herbstmonaten habe ich dank Steves Fitness-Challenge die Natur immer wieder anders erleben dürfen, das Herabschweben der Blätter, die Stille des Nebels, der tosende Herbstwind (aka Frisur-Killer), ja auch die Frische des Herbst-Regens wurden Dinge, die ich mit allen Sinnen wahrnahm. Und eines ist definitiv wahr: Nach so vielen «Gruusig-Wetter» Trainings schätze ich Runden an der Sonne doppelt 😉

Worte

Die Sprache ist für mich wie eine Schatzkiste, die immer wieder zum Entdecken einlädt. Ich habe dieses Jahr immer mal wieder bewusst den Fokus darauf gelegt, wie ich mit mir selbst spreche. Als Standard habe ich für mich die Art von Umgang angestrebt, wie ich mit meinem vierjährigen Gottimeitli sprechen möchte: Wertschätzend. Unterstützend. Ermutigend.

Und durch die vielen, vielen Momente des Innehaltens in den letzten Monaten habe ich mich oft dabei ertappt, wie ich diesen Standard bei mir selbst nicht einhalte. Wie ich mich selbst subito als «Versagerin» betitle, weil es ein eingeschliffener Mechanismus ist, der immer wieder dann greift, sobald ich etwas nicht «perfekt» mache. Und was genau bringt mir dieses Erreichen von Perfektion, dieses Setzen von Messlatten, die praktisch unmöglich zu erreichen sind? Neben ganz viel Absenz von Seelenfrieden zumeist nur herzlich wenig. 

Und so ersetze ich die selbstkritischen Worte immer häufiger. Denn wie soll ich positive Worte von anderen Menschen annehmen können, wenn ich mit mir selber keinen Frieden finde?

Der UHU

2020 bedeutete für mich auch das Erreichen eines Meilensteins, der mich unglaublich glücklich machte: Unter hundert Kilos zu kommen. Ich glaube, um zu verstehen, was mir das bedeutet, muss ich etwas ausholen. Als ich im Alter von 19 Jahren das erste Mal auf einer Arzt-Waage über 100 Kilos wog, war dies, als ob man mir zwei stinkende, eiskalte Fische um die Ohren gehauen hätte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich zwar meinen Kleidern angemerkt, dass ich wohl mal wieder zugenommen hatte. Doch wie viele Kilos es waren, hätte ich nicht einschätzen können. Ich wollte dem ganzen Gegensteuer geben, wieder in den zweistelligen Bereich kommen – doch stattdessen nahm ich weiter zu. Irgendwann wog ich 110 Kilos, irgendwann 120, eines Tages 125 Kilos – ein Gewicht, dass ich jahrelang dann recht stabil hielt. Und immer wieder war er da, dieser Wunsch nach dem UHU. Dieses zurückkehren in einen Gewichtsbereich, der zwar immer noch massives Übergewicht bedeutete – aber der trotzdem eine enorm starke Sehnsucht für mich innehatte.

Und so wurde dieser UHU dann «alle Jahre wieder» anfangs Jahr zu einem erklärten Jahresend-Ziel. Dass ich immer wieder nicht erreichte und mich dadurch in einer ewigen Versager-Spirale gefangen fühlte. Bis ich im Sommer 2018 wenige Wochen vor meinem 40. Geburtstag 138.8 Kilos wog – mein absolutes Höchstgewicht. Eine Zahl, die sich so anfühlte, als ob ein ganzer Container voll faulender Fische um meine Ohren klatschten. Und ein schwer-dunkles Lebensgefühl, über das ich bis heute kaum schreiben kann. Weil es mich so traurig macht, dass ich mich so lange so gefühlt hatte. Das führt mich zu meinem letzten Geschenk von diesem Jahr.  

Vergeben und Loslassen

Etwas wurde mir in den gut 2 Jahren Leben mit Magenbypass immer wieder klar: Egal, was die Zahl auf der Waage sagt, wenn ich nicht loslassen kann, was mich so unglücklich machte in meinen ersten 40 Lebensjahren, wird kein Gewichtsverlust jemals etwas an der Farbe meiner Seele ändern. Und damit diese als Regenbogen strahlen darf, sind Freude, Leichtigkeit, Dankbarkeit und Sinnhaftigkeit im Tun wichtige Ingredienzen. Im Alltag bedeutet dies immer Fein-Justierungen in meiner Denkhaltung und meinem Handeln. Immer mal wieder durchatmen, wenn ich manchmal vor Wut und Unverständnis durchstarten könnte. Vergeben, wenn ich die Faust im Sack machen möchte. Loslassen, wenn ich festhalten will.

Ich schaue auf ein Jahr zurück, dass mich näher zu mir selbst gebracht hat. Diese innere Reise möchte ich im 2021 fortsetzen, denn da gibt es noch so einiges zu entdecken.

Euch möchte ich Danke sagen, dass ihr mich auf diesem Weg begleitet: Mit euren Nachrichten, mit euren Geschichten, mit den Freuden, die ihr mit mir teilt. Hebed eu Sorg und auf ein gesundes, freud- und lichtvolles 2021.

7 Gedanken zu „Was mir 2020 alles geschenkt hat

  1. Danke für deine berührend geschriebenen Worte! Ich wünsche dir von Herzen, dass deine innere Reise weiter geht… du weisst am besten, was ich meine

  2. Lieb Alexandra
    Vielen Dank für deine wertvollen Worte. Ich bin auf einer ähnlichen Reise wie du. (0.P. Mai 2020). Dieses Staunen wenn plötzlich wieder etwas mehr geht. 100, 150, 200 Höhenmeter ohne anzuhalten – mit genug Puste. Einfach genial. Es ist nicht nur der Umfang der sich verändert, es ist das innere Gleichgewicht das wieder stärker wird. Weiterhin viel Erfolg auf deinem Weg und alles Liebe im 2021
    Angie

    • Liebe Angie
      Hei, bin ich spät dran mit Kommentare beantworten – mein Dankeschön an dich ist aber nicht minder herzlich. Ich habe mich gefreut, von deiner Reise zu lesen und wünsche dir weiterhin viel Freude und Leichtigkeit damit!
      Herzliche Grüsse,
      Alexandra

  3. Pingback: Loslassen, um die Hände frei zu haben - Leben mit Magenbypass

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert